Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg
Der Ort
Der heutige Besucher des Platzes nimmt in der Regel nicht wahr, in welch enormem Umfang am Bückeberg gebaut worden ist. Nachdem Goebbels Ende 1933 den Bückeberg auch für die Zukunft zum Ort des Reichserntedankfestes bestimmt hatte, entstanden Anfang 1934 drei Lager des Arbeitsdienstes, in denen ständig 450 Männer untergebracht waren. Sie schufen in den drei Jahren bis 1937 die absolut ebenmäßige Neigung des Berges, vergrößerten den Platz in der Länge und vor allem in der Breite, legten Wasserleitungen, Stromkabel und eine Drainage.
Blicke über den Festplatz nach Süden und Osten. Nur wer den Festplatz betritt,
nimmt seine ebenmäßige Planierung und sein gleichmäßiges Gefälle wahr. Der
leicht erhobene „Mittelweg“ hebt sich im Foto deutlich ab. Jeder sollte von je-
dem Platz des riesigen Geländes aus den „Führer“ sehen. (Fotos Gelderblom)
Karte aus dem Jahre 1936 (Kreisarchiv Hameln-Pyrmont)
Umfangreiche Straßenbauten sicherten die Anfahrt und den Anmarsch der Besucher des Festes. Zusätzlich zu den vorhandenen acht genutzten Bahnhöfen wurden weitere errichtet, insbesondere der zwischen dem Dorf Tündern und dem Festplatz gelegene sog. „Führerbahnhof“, den Hitler seit 1935 nutzte.
Für die Zukunft sahen die Planungen den Bau einer in Ost-West-Richtung verlaufenden Autobahn vor, welche die Weser südlich das Bückeberges zwischen Kirchohsen und Grohnde überqueren sollte. Dafür sollte die Bahnlinie Hameln-Emmerthal verlegt werden.
Aus dem Jahre 1934 liegt ein Albert Speer zuzuschreibendes Modell vor. Es sieht einen mächtigen acht mal acht Meter messenden steinernen umlaufenden Wall vor. Auch die beiden Tribünen und die breiten seitlich auf den Festplatz hinaufführenden Treppen sollten aus Stein gebaut werden. Von der Planierung des Platzes abgesehen wurde dieses Modell nicht mehr umgesetzt. Solange das Fest gefeiert wurde, bestanden die Tribünen und die großen Treppenanlagen aus Holz.
Modell des „Reichsthingplatzes“ Bückeberg aus dem Jahre 1934. (Quelle: Privat)
Im Unterschied zu den Reichsparteitagen in Nürnberg, in denen sich eine männlich dominierte, militärisch ausgerichtete Führerpartei in einer Einschüchterungsarchitektur präsentierte, gab sich das Erntedankfest als Volksfest, als das Fest der Volksgemeinschaft, zu dem Bauern und Städter, Männer, Frauen und Kinder aus dem ganzen Reich anreisten. Hitler zeigte sich als Mann des Volkes, stand nur am Schluss, wenn er redete, dem Volk als „Führer“ gegenüber.
Entsprechend fand das Fest nicht in einer steinernen Kulisse statt. Die Gestaltung des Festplatzes sollte den Teilnehmern vielmehr das Gefühl vermitteln, es handele sich – so Goebbels Vorgabe – um ein fröhliches, leichtes Fest in der freien Natur. Laut Speers Anweisung waren die Tribünen, aber auch die Fahnenmasten aus rohem Holz, die Dekorationen handgefertigt, alles bäuerlich, einfach, „natürlich“. Speer wollte die Harmonie mit der reizvollen Landschaft des Wesertales.
Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass das Reichserntedankfest nicht einfach in der Natur stattfindet, sondern in einer zwar nicht durch Stein und Beton, aber durch wehende rote Fahnen und grüne Baumgruppen, durch gerade Kolonnenwege und riesige Aufmarschplätze intensiv gestalteten Landschaft.
Der Festplatz nach 1945 und bis heute
Luftbild des Geländes aus dem Jahre 2001. Der Festplatz ist weit-
gehend erhalten. Die Fundamentreste der oberen Tribüne sind
durch eine Buschzone angedeutet; auch der „Mittelweg“ hebt
sich deutlich im Gelände ab. Von der aus Holz gebauten unteren
Tribüne finden sich dagegen keine Spuren im Gelände.
(Quelle: Landesvermessung Niedersachsen, Hannover)
Das Festplatzgelände – bis heute Domänenland – ist im Wesentlichen komplett erhalten. Weil unmittelbar unter der Grasnarbe Fels liegt, ist nur eine beschränkte landwirtschaftliche Nutzung möglich. Der Mittelweg (ca. ein Meter erhöht und 4-5 Meter breit) zeichnet sich nach wie vor deutlich im Gelände ab. Zahlreiche Kabelkästen aus Beton, die zusammen mit dem über dem Festplatz schwebenden Ballon eine drahtlose Rundfunkberichterstellung ermöglichten, haben sich längs des Weges erhalten.
Blick auf den Festplatz von Norden. Aus der Ebene nimmt der Betrachter den Festplatz stark verkürzt wahr
und unterschätzt seine Größe. (Dieses und die folgenden Fotos Gelderblom)
Im Kriege wurden die hölzernen Bauten, also die seitlich auf den Festplatz führenden mächtigen Treppen, der Aufbau der Ehrentribüne, die Fahnenmasten etc. beseitigt. Während von der Ehrentribüne oberhalb des Festplatzes noch die Betonfundamente erhalten sind, gibt es von der unteren Tribüne, der sog. „Rednerkanzel“, die weit herausgerückt in der Ebene stand, keine Spuren mehr. Sie hatte ganz aus Holz bestanden.
Die ausgedehnten Fundamente der Ehrentribüne oberhalb des Festplatzes ha-
ben sich erhalten.
Nur in zwei Punkten gibt es bisher Störungen des Festplatzgeländes. Einmal ist im westlichen Abhang des Festplatzes seit den 1980er Jahren Wohnbebauung entstanden, die am Fuße des Platzes bereits auf das Festplatzgelände vordringt. Sodann ist ein kurzes Stück des Mittelweges am Fuße des Berges abgegraben worden.
Im Boden des Festplatzes verborgen liegt eine Wasserleitung, die seitlich um den Festplatz herumführt. Gespeist wurde sie durch einen eigens oberhalb des Festplatzes im Wald errichteten Wasserbehälter, der sich ebenfalls erhalten hat. Unter der Grasnarbe befindet sich außerdem noch die Drainage, deren Klärbecken heute zugeschüttet ist und als Parkplatz des nahen Friedhofes dient.
Neben dem Festplatzgelände ist außerdem die gesamte Infrastruktur an Straßen und Wegen erhalten:
- die sog. Kolonnenwege, die von Norden zum Festplatz führen, häufig noch mit ihrem alten kleinteiligen Belag und den Baumgruppen, die an Kreuzungspunkten gepflanzt worden waren
- der Parkplatz für die Diplomaten, der oberhalb des Festplatzes angelegt worden war
- die Serpentinenstraße, die von Süden, von Latferde her, den Berg erschloss. An ihrem Beginn in Latferde hat sich noch ein steinerner Straßenwegweiser erhalten. der Treppenweg, der von Hagenohsen aus zum Festplatz führt.
Festplatzes
Der 1935 fertig gestellte mehrgleisige „Führerbahnhof“ in der Nähe des Festplatzes hat sich ebenso erhalten wie der überdimensioniert ausgebaute Emmerthaler Bahnhof.
Autor: Bernhard Gelderblom