Die Dokumentation der Opfer der NS-Herrschaft
in der Stadt Hameln und im Landkreis Hameln-Pyrmont
 

2.  Die Opfer unter den Gefangenen des Zuchthauses Hameln

     Todesorte 1 (in Hameln, in Holzen und auf Todesmärschen)

2.1  Zuchthaus Hameln und andere Todesorte in der Stadt

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Daniel, Ernst Johannes Friedrich

wurde am 27. Februar 1887 in Lindau im Kreis Eckernförde geboren. Der Postbetriebsassistent wohnte in Hamburg, Borsteler Chaussee 5.
1943 nach „Kriegssonderstrafrecht“ zu mehrjähriger Haft verurteilt, wurde Daniel am 11. Januar 1944 schon schwerkrank in das Zuchthaus Hameln verlegt.
Vier Tage nach seiner Ankunft, am 15. Januar 1944, starb Ernst Daniel im Zuchthaus-Lazarett und dürfte auf dem Friedhof Wehl bestattet worden sein.

de Bruyne, Leopold

Belgier, wurde am 30. Mai 1922 in Gent, der Hauptstadt Ostflanderns, geboren. Der Wohnort des Kraftfahrers ist nicht bekannt. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder.
Leopold de Bruyne war als Zwangsarbeiter in der Region Hannover im Einsatz, als er im Juni 1943 verhaftet wurde.
Das Sondergericht Hannover verurteilte ihn am 31. Mai 1944 nach „Kriegssonderstrafrecht“ zu sechs Jahren Zuchthaus.
Zunächst im Zuchthaus Celle zur „Strafverbüßung“ eingesperrt, wurde Leopold de Bruyne am 8. August 1944 mit einem Sammeltransport von 100 Gefangenen in das Hamelner Zuchthaus verlegt, um – wie die Mehrzahl der Transportteilnehmer – unverzüglich im neu eingerichteten Zuchthaus-Außenlager Holzen zum mörderischen Arbeitseinsatz zu kommen. Diesen überlebten mindestens 36 Mann der Erstbelegung nicht lange.
Leopold de Bruyne kam mehrfach auf die Krankenstation des Lagers, bevor er nach knapp zwei Monaten nach Hameln zurückverlegt wurde.
Am 2. Oktober 1944 gehörte Leopold de Bruyne einem 200köpfigen Transport an, mit dem vor allem Gefangene aus geräumten westdeutschen Zuchthäusern nach kurzer Zwischenstation in Hameln in ein Lager bei Prenzlau nördlich von Berlin weiterverlegt wurden.
Als Prenzlau wenige Monate später wegen der vorrückenden Roten Armee geräumt wurde, kam Leopold de Bruyne – wie viele andere ehemalige Gefangene aus Hameln nach einem Zwischenaufenthalt im Zuchthaus Brandenburg – am 15. Februar 1945 nach Hameln zurück. An den Folgen der elenden Transportbedingungen dürften über 40 Gefangene gestorben sein.
Leopold de Bruyne dürfte am 7. April 1945 in Hameln die Befreiung erlebt haben. Sicherlich aufgrund der erlittenen Strapazen scheint er jedoch schwer krank gewesen zu sein, denn er wurde nach Samaden (Samedan) im schweizerischen Engadin gebracht, Standort eines Krankenhauses.
Leopold de Bruyne starb in Samaden. Das genaue Todesdatum ist bislang nicht ermittelt.

de Nys, Gerard Pieter

Belgier, wurde am 11. August 1922 in Saint Gilles Waas geboren. Der Fabrikarbeiter wohnte in Saint Gilles Waas, Doornstr. 14. Zuletzt war er vermutlich als Zwangsarbeiter in Hannover im Einsatz und musste in einem Lager der Reichsbahn leben.
1943 nach „Kriegssonderstrafrecht“ zu mehrjähriger Haft verurteilt, wurde de Nys am 8. August 1944 mit einem Sammeltransport von 100 Gefangenen aus dem Celler in das Hamelner Zuchthaus verlegt.
Wie die Mehrzahl der Transportteilnehmer kam er unverzüglich in das neu eingerichtete Zuchthaus-Außenlager Holzen zum mörderischen Arbeitseinsatz; diesen überlebten mindestens 36 Mann der Erstbelegung nicht lange. Die erlittenen Strapazen ließen de Nys bald erkranken, so dass er als 'nicht außenarbeitsfähig' nach Hameln zurückverlegt wurde.
Gerard de Nys starb am 10. Februar 1945 im Zuchthaus und wurde auf dem Friedhof Wehl bestattet (Feld C I/32). Am 18. November 1948 wurde er in seine Heimat nach Saint Gilles umgebettet.

Dechamps, Henri

Belgier, wurde am 31. Juli 1882 in Lüttich geboren. Der Angestellte wohnte in Lüttich, 1 Rue Henri Dunant.
Grund und Zeitpunkt seiner Inhaftierung sind nicht bekannt.
Dechamps kam im Zuge der Räumung frontnaher Strafanstalten im Westen mit einem großen Sammeltransport aus dem Gefängnis Bochum am 22. März 1945 in das Zuchthaus Hameln.
Henri Dechamps starb nach der Befreiung am 19. April 1945 in Hameln. Er wurde auf dem Friedhof Wehl ohne Sarg bestattet (Feld C I/48) und am 18. November 1948 nach Lüttich umgebettet.

Derks, Johannes

Niederländer, wurde am 17. Mai 1911 geboren. Sein Geburts- und Wohnort sind unbekannt. Er war von Beruf Händler.
Als Widerstandskämpfer saß Derks vermutlich seit 1943 in Haft. Wie viele niederländische „Politische“ kam er im Zuge der Räumung frontnaher Strafanstalten im Westen mit einem vielköpfigen Sammeltransport aus dem Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen am 2. November 1944 in das Zuchthaus Hameln.
Jan Derks starb am 3. Dezember 1944 in seiner Zelle im Zuchthaus und wurde auf dem Friedhof Wehl bestattet (F I/106). Von seiner Umbettung in den Nachkriegsjahren ist auszugehen.
Sein niederländischer Mitgefangener Dirk Schortinghuis beschreibt seinen Tod im Kreise seiner Landsleute:
„Gegen Ende November (1944, d.Verf.) wird Jan Derks krank. Während seiner ganzen Gefangenschaft machte er, wenn ich ihn sah, schon nicht mehr den starken und gesunden Eindruck früherer Tage auf mich. Als ich Anfang November im Saal zufällig neben ihm saß, zeigte er sich müde und matt in seinen Gesprächen, obwohl der alte Geist noch nicht aus ihm gewichen war. Er isst schlecht, lässt von seinen Portionen einen Rest liegen. In der letzten Novemberwoche wird er taumelig und schwach, so dass er es nur noch mit Mühe schafft, von seinem oberen Bett herunterzukommen. Er wird nach unten verlagert, wo Paul Gulikers und Harry Tobben sich als Krankenpfleger hervorragend um ihn kümmern. Mit äußerster Kraftanstrengung schleppt er sich noch einmal zum Arzt, von dem er unverrichteter Dinge zurückkehrt. Die Schwäche nimmt Tag für Tag zu. Wir geben ihm Leckerbissen, und es ist immer ein Reservevorrat an Nahrung für ihn da.
Mit viel Mühe erreichen wir es, dass Dr. Bolle, der holländische Assistent, ihn untersucht. Er hielt die Krankheit für nichts anderes als eine normal nach der Ruhr auftretende Schwäche. Dann schaffen wir es, Schimmel, einen holländischen Mitgefangenen, in den Saal kommen zu lassen, dessen Urteil sofort feststeht: Entweder ins Krankenhaus oder tot. Wir tun noch alles, was in unseren Kräften steht, um für ihn einen Platz im Krankenhaus zu bekommen, aber der Versuch misslingt.
Danach bin ich noch kurz bei Jan, der die volle Gewissheit hat, dass er sterben wird. Er bittet mich und Harry und Paul, seine Eltern und die Jungen zu grüßen. Ich versuche noch, ihn zu ermuntern, denn seine Gelassenheit und Hingabe sind mir zu groß. Er führt keinen Kampf mehr für das Leben. Einem von uns hat er noch gesagt, dass es ihm leid tue, jetzt so sterben zu müssen und nicht damals vor einem Erschießungskommando. Er sehnt sich nach dem Ende, weil er sich nicht sicher ist, ob er inmitten der Banalitäten der Freiheit fähig sein wird, die jetzige Höhe seines Geistes- und Glaubenslebens beizubehalten. Die Nacht vom Samstag zum Sonntag wird furchtbar. Das Atmen fällt ihm immer schwerer. Gegen Morgen wird es still. Ich fühle den Puls. Das Herz schlägt nicht mehr.
Harry und Paul versorgen den Leichnam, was noch gerade möglich ist, denn wenige Minuten, nachdem wir den Wachtmeister informiert hatten, steht man schon vor der Tür, um ihn wegzuholen. Als Jan noch lebte, haben wir tagelang um ärztlichen Beistand betteln müssen, bis endlich Assistent Bolle einmal zur Untersuchung erschien.
Es war der 3. Dezember, als durch Jan Derks’ Tod unsere Gemeinschaft um eine Person verringert wurde. Einen Augenblick lang gibt es eine Leere, aber das Schicksal, das Jan Derks getroffen hat, bleibt in unserer Nähe. Erst jetzt offenbart sich uns das ganze Gewicht seiner Gegenwart und wir fühlen uns wie an die Wand gedrängte, armselige kleine Menschlein, abwartend, wer der nächste sein wird.“