"Erinnerungsort Zwangsarbeit" am Weserufer in Hameln

Edmund Bednarek
Janina Bartos
Marija Sapliwaja
Marianna Matusiak
Merem Ibragimowa
Helena Wojcinska und weitere Kinder
Jozef Butniak
Kazimierz Wyszkowski
Ljudmila Boryskina
Jerzy Lewandowski
Monika Kicman
Leokadia Gawronska
Olga Barbesolle
Nastayia Antoniez

 

Ljudmila Boryskina

Aus der Ukraine 1942 im Alter von 16 Jahren verschleppt, musste sie bis Kriegsende
auf einem Hof in Afferde, Lk. Hameln-Pyrmont, Zwangsarbeit leisten.

 

Ljudmila Boryskina in einem Brief vom 5. Juni 2001 an Bernhard Gelderblom:

„Eines frühen Morgens Ende April 1942 kam ein Polizist zu uns und sagte, dass wir uns schnell zur Abreise nach Deutschland fertig machen sollten. Ich fing zu weinen an, aber er packte mich und stieß mich mit Gewalt auf die Straße hinaus. Dort waren schon einige Leute versammelt.

Man brachte uns unter Bewachung in das Gebietszentrum Schepetowka. Dort verfrachtete man uns in Güterwaggons, deren Fenster sogar mit Stacheldraht verschlossen waren.

Die Waggons waren vollkommen überfüllt. Nicht alle fanden einen Sitzplatz. Um uns auszuruhen, setzten wir uns abwechselnd hin.

Und so kamen wir in Hameln an. Man jagte uns aus den Waggons und scheuchte uns in einen großen Lagerraum. Dorthin kamen mehrere Herren und wählten diejenigen aus, die ihnen gefielen. Mich nahm ein Bauer aus Afferde in seinen Bauernhof.

Mir ging es sehr schlecht, da ich kein Wort Deutsch sprach. Ich arbeitete schwer. Ich melkte fünf Kühe, fütterte die Schweine, erledigte sämtliche Arbeiten im Haus und auf dem Feld.

Nach und nach begann ich Deutsch zu verstehen und zu sprechen. Es gab noch einen Franzosen, der viel mehr Freizeit hatte.

Zu dieser Zeit war ich 16 Jahre alt. Ich stand um vier Uhr früh auf und arbeitete bis acht Uhr abends. Ich hatte keinen einzigen Tag frei. Nur während der Mahlzeiten konnte ich mich ausruhen.

An Kleidung hatte ich nur, was ich mitgebracht hatte, Rock und Jacke aus sehr hartem Stoff. Eine Schürze und Holzschuhe bekam ich von Frau W. Sonst hatte ich nichts anzuziehen.

Der Winter war sehr kalt. Eine deutsche Frau schenkte mir eine ungefütterte Jacke und alte Schuhe. Diese Schuhe trug ich nach der Arbeit die ganzen drei Jahre hindurch.

In Afferde gab es polnische und ukrainische Zwangsarbeiter, aber ich hatte kaum Zeit, sie zu besuchen.

Am 8. April 1945 befreiten uns die Amerikaner. Sie nahmen uns mit und brachten uns in Kasernen unter, in denen wir zwei Wochen wohnten.

Danach fuhr man uns in Autos nach Frankfurt an der Oder. Schließlich wurden wir an die sowjetischen Behörden übergeben, die unseren Transport nach Lodz veranlassten. Endlich ergatterten wir einen Platz in einem Güterwaggon und traten unsere Heimreise an. Während der Fahrt durch unsere Heimat trauten wir unseren Augen kaum: Alles war zerstört und verbrannt.

Bei meiner Rückkehr fand ich unser Haus halbzerstört vor. Alle hungerten und hatten weder Kleidung noch Schuhe.

Ich erinnere mich sehr oft an jene Jahre. Einige Male träumte ich sogar von jenem Haus in Afferde. Ich konnte absolut nicht in mein Zimmer gelangen.

Ich bin jetzt alt und schwach, aber ich möchte noch mal Afferde sehen, da ich ja dort drei Jahre meiner besten Jugendzeit zugebracht habe.“

 

Im Mai 2003 konnte Ljudmila Boryskina nach einer Einladung aus Hameln den Hof in Afferde besuchen.

 

Bearbeitung: Bernhard Gelderblom

 

 
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